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Mit Wortwitz und Theater auf den Spuren von Charlotte Buff

22.08.2004

Von Sabine Glinke
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"Iss es Dibbche noch so schebb, es basst e Deckelche druff !" Dies ist nur einer der kessen Sprüche auf Hessisch, den Heinrich Adam Buff (gespielt von Hermann Eucker), Vater von Charlotte Buff - Goethes und "Werthers" Lotte - bei der diesjährigen "Erlebnis STATT Führung" in Wetzlar zum Besten gibt. Das Motto dabei lautet "Ein wünschenswertes Frauenzimmer - Goethes Lotte in Wetzlar". Bei der Premiere am Freitag wurden die Geschichten der erwähnten Figuren an historischen Plätzen "lebendig" - eine gelungene Theaterinszenierung der besonderen Art.
 
Theater macht Wetzlarer Stadtführung lebendig (von links): Die 14-jährige Lotte (gespielt von Carolin Kling), Mutter Magdalena (Claudia Bäulke), die 17-jährige Karoline (Antje Reinhardt) und Lottes Vater Heinrich Buff (Hermann Eucker) lesen den Brief von Kestner, in welchem er um Lottes Hand anhält. (Foto: Glinke)

Wetzlar. Bereits im zweiten Jahr finden die "Erlebnis STATT Führungen" in Wetzlar statt. Begrüßt werden die maximal 50 Teilnehmer pro Führung von den Stadtführerinnen vor der Tourist-Information auf dem Domplatz. Bei der Premiere übernahm das Sybille Weber-Loevenich.

"Weibsleut" erlaubt

Danach tauchte Heinrich Buff auf, der die "Burschen" aufforderte, ihm zu folgen, da er noch Ehemänner für seine Töchter suche. "Naja, die Weibsleut könne aach mitkomme", gestand er zu.

Nächster Schauplatz des Rundgangs ist der Fischmarkt im Januar 1768, gespielt wird die Szene neben der Domtreppe. Nun machten die Teilnehmer "erste Bekanntschaft" mit Lotte, zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt (Carolin Kling), Mutter Magdalena Buff (Claudia Bäulke) und Lottes hochnäsiger Schwester Karoline (Antje Reinhardt).

Heinrich Buff ist ihnen auf den Markt hinterher geeilt, denn ihm wurde ein Brief an seine Gattin überbracht, der ihn schwer beunruhigt. In dem Brief bittet Johann Christian Kestner, ein braver junger Mann, um die Hand von Charlotte. Doch diese will noch etwas warten, verspricht sich Kestner aber.

Mitten in die Szenerie platzt dann die Großtante Goethes, die Hofrätin Lange (Ilse Hasselbach-Hechler), welche mit ihrer gestellten Art wirkt wie eine Persiflage auf die feinen Damen jener Zeit.

Sie geleitet das Publikum zum Deutschordenshof, jenem Platz der heute als Lottehof bekannt ist, Charlotte Buffs Zuhause. Dort spielen sich jene Szenen ab, in denen die 19-jährige Lotte (Anne Uebach) ihren Geschwistern die Mutter ersetzt und sich um den heimischen Hof kümmert. Lotte teilt gerade das Brot, als Goethe erscheint, der sie und Karoline (Claudia Ellendt) zu einem Geburtstagsball nach Volpertshausen abholen will.

Kein Ehrenmann

Und Johann Wolfgang Goethe (Sebastian Groh) präsentiert sich während der "Erlebnis STATT Führung" so gar nicht als Ehrenmann: Er ist ein kindischer Schurke, der von Regeln und festen Bindungen nichts wissen will. Ganz so, wie es die Sekundärliteratur dem großen Dichterfürsten auch heute noch nachsagt.

Es kommt wie es kommen muss, Goethe verliebt sich in Lotte, umgarnt sie ein ganzes Jahr, doch sie hält an ihrem Versprechen Kestner gegenüber fest. Goethe verlässt schließlich über Nacht Wetzlar, ganz so wie der Literaturfreund es aus "Die Leiden des jungen Werther" kennt. Ein Jahr später erscheint der Briefroman.

Für Lacher bei den Teilnehmern in Wetzlar sorgte die Darstellung der spröden Art von Christian Kestner durch Matthias Spahn.

Ihren Abschluss fand die "Erlebnis STATT Führung" im Palais Papius in der Kornblumengasse. Oliver Meyer-Ellendt, Autor und Regisseur des bewegten Theaters, ist es gelungen, bekannten Stoff neu aufleben zu lassen. Dabei wird deutlich, welche Fakten aus dem "Werther" der Realität entsprechen und welche frei erfunden sind.

Wortwitz und kleine Gags fehlen ebensowenig wie geschichtlich genaue Recherche. Die Darsteller bringen allesamt eine herausragende Leistung, zumeist sind Laiendarsteller am Werke. Gut ausgeklügelt ist auch der zeitliche Ablauf.

Am Premierenabend nahmen insgesamt rund 250 Gäste an den Führungen teil. Die Veranstaltungen waren ausverkauft.

Weitere Führungen sind für heute (Sonntag), für den 27., 28., 29. und 31. August sowie für den 1. September vorgesehen. Die jeweils fünf Führungen starten um im Halbstundentakt an der Tourist-Information (Domplatz 8). Wochentags und samstags beginnen die ersten Führungen um 19 Uhr, am Sonntag um 17 Uhr. Die Teilnahme kostet zehn Euro, ermäßigt fünf Euro. Informationen bei der Tourist-Information, (0 64 41) 9 93 38.